Angebotsverfahren oder Bieterverfahren?
Das Bieterverfahren wird im Immobilienverkauf noch relativ wenig genutzt. Welche Formen der Ausführung gibt es und welche Vor- und Nachteile hat es gegenüber dem klassischen Angebotsverfahren?
Inhalt:
1. Zwei unterschiedliche Wege
2. Der Klassiker – Das Angebotsverfahren
3. Noch wenig genutzt – Das Bieterverfahren
3.1 Varianten bei der Ausführung
3.2 Vor- und Nachteile im Überblick
4. Fazit
1. Zwei unterschiedliche Wege
Zu einer klugen Verkaufsstrategie gehört auch die frühzeitige Überlegung, ob Ihre Immobilie
- im Angebotsverfahren oder
- im Bieterverfahren
in den Markt gebracht werden soll. Vieles ist bei beiden Verfahren gleich, aber es gibt einige wesentliche Unterschiede, die im Folgenden erläutert werden.
2. Der Klassiker – Das Angebotsverfahren
Dies ist der klassische und für viele Fälle auch ein sehr gut geeigneter Weg, eine Immobilie zum Verkauf anzubieten.
Die Immobilie wird zu einem Angebotspreis X angeboten, der in Relation zum Marktwert einen moderaten Verhandlungsspielraum beinhaltet.
Da jeder Investor/Käufer einen Verhandlungserfolg erzielen möchte, raten wir von einem sog. Festpreis oder einer starren Haltung im Hinblick auf Preisverhandlungen ab.
Doch was ist nun die eigentliche Herausforderung beim Angebotsverfahren?
Die Marktwertermittlung in Verbindung mit der Festlegung des Angebotspreises.
Das Ziel ist, den Wert zu ermitteln, der gerade noch in den Markt passt, aber gleichzeitig auch noch unter Berücksichtigung eines Verhandlungsspielraums (Angebotspreis) genügend Nachfrage erzeugt, um den Verkauf in einem überschaubaren Zeitraum umzusetzen.
Dazu sind fundierte Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der zum Verkauf stehenden Immobilienart erforderlich.
Nicht selten wird beim Verkauf „von privat“, aber durchaus auch von Maklern, die ihre Kerntätigkeit nicht in dem Immobiliensegment haben, der Marktwert missachtet, völlig ausgeblendet oder er ist mangels Erfahrung eben gar nicht oder nur sehr ungenau bekannt.
Daraus ergeben sich dann z.B. Vorgehensweisen, vor denen wir warnen möchten:
- Zunächst den Angebotspreis 20 % über dem Marktwert ansetzen, dann kann man immer noch runtergehen.
- Der Angebotspreis wird auf Basis des eigenen historischen Kaufpreises (bzw. Herstellungskosten) zzgl. der im Laufe der Jahre eingeflossenen Investitionen für Renovierungen, Modernisierungen, Sanierungen errechnet.
Aber welche Konsequenzen hat denn nun ein zu hoch angesetzter Angebotspreis?
- Die Immobilie muss deutlich länger angeboten werden.
- Eine Immobilie, die lange auf dem Markt ist, erscheint wenig begehrenswert und erweckt den Eindruck eines Ladenhüters. Dies führt letztendlich zu einem schrittweisen Preisverfall. Man bedenke: die meisten Investoren/Käufer beobachten den Immobilienmarkt permanent und sind deshalb bestens informiert. Dazu kommt, dass Investoren/Käufer, sofern es sich nicht um Selbstnutzer (z.B. beim Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung) handelt, wirtschaftlich denken und nicht von Emotionen geleitet werden.
- Im Ergebnis erreicht man somit, dass der Verkaufsprozess viel mehr Arbeit (z.B. für Besichtigungen) und mehr Kosten (z.B. für Werbung, laufende Kosten der Immobilie im Falle von Leerständen) erfordert und der erzielte Verkaufserlös sogar geringer ist.
Andererseits kann auch ein zu niedrig ermittelter Marktwert bzw. Angebotspreis teuer werden, so erfreulich dann zunächst auch die hohe Nachfrage erscheint.
Das Angebotsverfahren bleibt nach wie vor ein sehr gut geeigneter Weg, wenn bei der Marktwertermittlung und der Festlegung des Angebotspreises das erforderliche Fingerspitzengefühl und die notwendige Erfahrung eingebracht werden.
3. Noch wenig genutzt – Das Bieterverfahren
Das Bieterverfahren ist in Deutschland noch relativ wenig verbreitet und eignet sich für Immobilien, bei denen eine hohe Nachfrage erwartet werden kann (z.B. bei Mehrfamilienhäusern in guten Lagen in Metropolregionen) oder bei denen eine Marktwertermittlung extrem schwierig ist (z.B. stark sanierungsbedürftige Objekte).
Investoren/Käufer geben beim Bieterverfahren ähnlich wie bei einer Auktion Gebote ab. Deshalb wird kein oder ein niedrig angesetzter Mindestpreis genannt. Beim Bieterverfahren bilden sich die Preise ausschließlich aus Angebot und Nachfrage.
Ziel des Bieterverfahrens ist, den Markt seiner eigenen Dynamik zu überlassen und so zum optimalen Kaufpreis zu gelangen.
Doch wie läuft das Bieterverfahren nun überhaupt ab? Die meisten Phasen und Prozesse sind absolut identisch mit dem klassischen Angebotsverfahren. Natürlich muss Interessenten in den Werbemaßnahmen oder Direktansprachen kommuniziert werden, dass die Immobilie im Bieterverfahren verkauft wird. Dazu ist das Bieterverfahren organisatorisch etwas anspruchsvoller.
Die eigentlichen Hauptunterschiede sind aber:
- Das Objektmarketing stellt eine separate, vor den Besichtigungen geschaltete Phase dar.
- Die Besichtigungstermine (sofern mehrere) werden zeitlich gebündelt durchgeführt.
- Nach der Besichtigung/den Besichtigungen wird eine Gebotsfrist von z.B. 2 – 3 Wochen angesetzt, in der die Investoren/Käufer ihre Gebote abgeben können. Ernsthaften Bietern wird dann innerhalb dieser Frist die Möglichkeit einer Nachbesichtigung angeboten.
Eine Kaufpreisverhandlung entfällt i.d.R., da sich der Preis aus dem Bieterverfahren selbst ergibt. Eine Ausnahme kann jedoch z.B. sein, wenn nicht an den Höchstbietenden verkauft werden soll (oder dieser doch einen Rückzieher gemacht hat) und mit dem Zweithöchstbietenden weitere Kaufpreisverhandlungen stattfinden.
Zum Ende sollte dann noch überlegt werden, sämtliche Bieter über den Ausgang des Bieterverfahrens zu informieren.
Sofern das Bieterverfahren eine geeignete Alternative ist und Ihre Immobilie gleichzeitig für die direkte Investorenansprache prädestiniert ist, funktioniert dies natürlich nur dann, wenn eine ausreichende Anzahl an Investoren bekannt ist.
3.1 Varianten bei der Ausführung
Bieterverfahren können hinsichtlich der nachfolgenden Aspekte unterschiedlich ausgeführt und damit den eigenen Präferenzen angepasst werden.
Anzahl der Bieter
Bieterverfahren können offen oder begrenzt durchgeführt werden. Sofern die Internetvermarktung zum Tragen kommt, wird das Bieterverfahren i.d.R. offen gehandhabt. Im Falle der direkten Investorenansprache ist das Bieterverfahren auf die Anzahl der bekannten Investoren oder eine Auswahl davon begrenzt.
Besichtigungen
Besichtigungen mit den potenziellen Bietern können einzeln, in kleinen Gruppen oder als Sammelbesichtigung durchgeführt werden. Mit Sammelbesichtigungen soll häufig im Bieterverfahren der Konkurrenzdruck erhöht werden.
Mindestgebot
Bieterverfahren lassen sich mit oder ohne Mindestgebot durchführen. Kein oder ein sehr geringes Mindestgebot lockt möglicherweise mehr Investoren/Käufer an.
Gebotsabgabe
Die Gebotsabgabe kann per Brief, Fax, E-Mail, Website oder auf speziellen Internet-Plattformen von externen Dienstleistern erfolgen.
Anzahl Gebote
Die Anzahl der Gebote, die jeder Bieter abgeben darf, kann limitiert (z.B. nur 1 Gebot) oder unlimitiert sein.
Gebotsfrist
Die Gebotsfrist wird i.d.R. auf einen festen Zeitraum begrenzt, z.T. aber auch flexibel gehandhabt.
Kommunikation aktuelles Höchstgebot
Hier liegt die Bandbreite von keiner Kommunikation bis hin zu einer quasi Echtzeitkommunikation (z.B. per Website) während der Gebotsfrist. Eine transparente und zeitnahe Kommunikation hat den Vorteil, dass bereits Bietende einfacher ihr Gebot erhöhen können, sofern mehrfache Gebote gestattet sind.
3.2 Vor- und Nachteile im Überblick
Das Bieterverfahren hat einige Vorteile, aber auch einige Nachteile, die wir Ihnen nachfolgend aufzeigen:
Vorteile des Bieterverfahrens
- Das Risiko eines falschen Angebotspreises entfällt, da die Preisbildung dem Markt überlassen wird.
- Obwohl wir dies immer empfehlen würden, muss vorher nicht zwangsläufig eine Marktwertermittlung erfolgen.
- Geeignet für sehr begehrte Immobilien mit hoher Grundnachfrage oder bei denen eine präzise Marktwertermittlung sehr schwierig ist.
- Bei sehr begehrten Immobilien besteht ggf. die Chance auf einen höheren Kaufpreis als im Angebotsverfahren.
- Der Verkäufer ist nicht an das Höchstgebot gebunden, z.B. wenn ihm dies nicht hoch genug ist. Er ist nicht verpflichtet, zu verkaufen.
- Wenn bisherige Verkaufsversuche im Angebotsverfahren erfolglos waren, kann das Bieterverfahren eine weitere Möglichkeit sein, Investoren/Käufer zu gewinnen.
Nachteile des Bieterverfahrens
- Organisatorisch etwas anspruchsvoller als das Angebotsverfahren.
- Nicht gut geeignet für Immobilien mit einer erwarteten geringen Grundnachfrage.
- Nicht alle potenziellen Investoren/Käufer sind bereit, an einem Bieterverfahren teilzunehmen. Sie werden somit von vornherein ausgeschlossen.
- Investoren/Käufer können ihr Gebot zurücknehmen, wodurch für den Verkäufer das Risiko besteht, dass der Verkauf nach Durchführung des Verfahrens doch nicht zustande kommt.
- Möglicherweise werden Gebote von Personen abgegeben, die gar nicht ernsthaft am Kauf der Immobilie interessiert sind.
4. Fazit
Beide Verfahren haben ihre jeweiligen Vor- und Nachteile.
Sowohl mit dem Angebotsverfahren als auch mit dem Bieterverfahren können Sie zum optimalen Kaufpreis kommen, wenn sie richtig genutzt werden.
Für das Bieterverfahren wird häufig proklamiert, nur damit wirklich den optimalen Kaufpreis erzielen zu können. Doch auch dies ist im Angebotsverfahren möglich. Hier kommt man eben nur von der anderen Seite und bei mehreren Investoren/Käufern kann demjenigen die Zusage erteilt werden, der am wenigsten nachverhandelt.
Die große Kunst beim Angebotsverfahren besteht jedoch darin, den Angebotspreis so festzulegen, dass dieser so gerade noch in den Markt passt.
Das Risiko eines falsch angesetzten Angebotspreises gibt es beim Bieterverfahren nicht.
Häufig zum Bieterverfahren genannte Vorteile wie z.B. ein zügiger Verkaufsprozess sind genauso im Angebotsverfahren möglich, wenn viel Wert auf eine gute Vorbereitung gelegt wird.