Mehrfamilienhäuser mit Gewerbeanteil im Verkauf
Viele zum Verkauf stehende Mehrfamilienhäuser haben einen Gewerbeanteil. Welche Auswirkungen hat dies auf die Vermarktung?
Inhalt:
1. Begriffliche Einordnung
2. Auswirkungen von Gewerbeanteilen auf die Vermarktung
2.1 Die Risikostruktur der Immobilie ist höher
2.2 Gewerbeanteile beeinflussen den Marktwert
2.3 Investorensuche und -auswahl
2.4 Finanzierungsmöglichkeiten der Investoren
2.5 Umsatzsteuer auf Gewerbeanteile?
3. Praxisanteil statt Gewerbeanteil?
4. Fazit
1. Begriffliche Einordnung
Im Gegensatz zu den rein wohnwirtschaftlich genutzten Mehrfamilienhäusern oder Wohnanlagen finden sich häufig auch Mischformen mit einer oder mehreren Gewerbeeinheiten (z.B. Büro, Backshop) darin.
Handelt es sich bei dieser Form gemischt genutzter Immobilien nun um Mehrfamilienhäuser mit Gewerbeanteil oder Wohn- und Geschäftshäuser?
Nun, das hängt sehr stark von dem Anteil, der auf die gewerbliche Nutzung entfällt, ab.
Ein Mehrfamilienhaus mit 30 Wohnungen, welches im Erdgeschoss einen Backshop und eine kleine Büroeinheit beheimatet, sollte eher als Mehrfamilienhaus mit Gewerbeanteil bezeichnet werden. Befindet sich im gesamten Erdgeschoss hingegen ein Einzelhandelsgeschäft, im ersten Obergeschoss Büros und nur in den beiden darüber liegenden Geschossen Wohnungen, wäre die Bezeichnung Wohn- und Geschäftshaus angemessen.
Bezeichnungen haben aber nun weniger Auswirkungen auf den Verkauf, wohl aber der Anteil und die Art des Gewerbes.
2. Auswirkungen von Gewerbeanteilen auf die Vermarktung
2.1 Die Risikostruktur der Immobilie ist höher
Grundsätzlich sind aus Investorensicht Gewerbeeinheiten meist mit einem höheren Risiko behaftet als Wohnungen. Dies liegt vor allem an der meist geringeren Drittverwendungsfähigkeit, die sich bei Insolvenz, Kündigung oder Mietvertragsablauf negativ auswirken kann.
Während eine Wohnung bei einer Mieterkündigung meist zügig mit nur geringen Renovierungsarbeiten (den Fall von Mietnomaden blenden wir hier einmal aus) nachvermietet werden kann, ergeben sich bei der Nachvermietung gekündigter Gewerbeeinheiten nicht selten eine oder mehrere der folgenden Situationen:
- Die Gewerbeeinheit steht länger leer, da die Nachfrage insgesamt gering ist.
- Die Gewerbeeinheit muss für einen neuen Mieter erheblich umgebaut werden.
- Der neue Mieter ist nicht bereit, einen längerfristigen Mietvertrag einzugehen.
Wie sich die Risikostruktur bei Ihrem Mehrfamilienhaus mit Gewerbeanteil darstellt, hängt von folgenden Faktoren ab:
- Wie hoch ist der Anteil der Gewerbeeinheit(en) am Gesamtobjekt?
- Wie wird die allgemeine Nachfrage nach Gewerbeeinheiten am Standort kurz-, mittel- und langfristig eingeschätzt?
- Stehen eine oder mehrere Gewerbeeinheiten derzeit leer?
- Sind die Gewerbeeinheiten multifunktional konzipiert, um den Umbauaufwand bei Mieterwechseln gering zu halten?
- Wie ist die Bonität der aktuellen Gewerbemieter?
- Wie ist die aktuelle Miete in Relation zur nachhaltig erzielbaren Miete?
- Wie lange laufen die Mietverträge mit den Gewerbemietern noch? (z.B. gesetzliche Kündigungsfrist oder längerfristige Mietvertragsrestlaufzeit)
2.2 Gewerbeanteile beeinflussen den Marktwert
Wie bei jeder Kapitalanlage gilt auch bei Investmentimmobilien: Je höher das Risiko, umso höher die Renditechance.
Gewerbeanteile beeinflussen somit den Marktwert aufgrund ihrer höheren Risikostruktur im Vergleich zu rein wohnwirtschaftlich genutzten Immobilien nach unten.
Ob die Auswirkungen marginal oder erheblich sind, hängt von den vorgenannten Faktoren ab und muss individuell betrachtet werden.
2.3 Investorensuche und -auswahl
Gerade bei der direkten Investorenansprache ist es wichtig, die Ankaufskriterien der Investoren genau zu kennen.
So gibt es Investoren, die generell ein Problem mit Gewerbeeinheiten haben und somit von vornherein ausgeschlossen werden können.
Andere Investoren setzen sich anhand des Gewerbeanteils (häufig Gewerbemieteinnahmen in Relation zu Gesamtmieteinnahmen) in Höhe von z.B. 10, 15 oder 20 % Limits für einen Ankauf. Gleichzeitig spielen aber auch die anderen Faktoren eine große Rolle bei der Ankaufsentscheidung.
2.4 Finanzierungsmöglichkeiten der Investoren
Indirekt wirken sich Gewerbeanteile auch über die Finanzierungsmöglichkeiten auf die Vermarktung aus, denn:
Durch die Gewerbeanteile sind Kreditinstitute gehalten, Abschläge bei Beleihungswert und Beleihungsgrenze vorzunehmen. Konsequenz ist, dass im Vergleich zu rein wohnwirtschaftlich genutzten Mehrfamilienhäusern meist ein höherer Eigenkapitaleinsatz verlangt wird.
Doch was bedeutet das nun konkret?
Wenn Ihr Mehrfamilienhaus mit Gewerbeanteil für die direkte Investorenansprache prädestiniert ist, sind professionelle oder semiprofessionelle Investoren Ihre Zielgruppe. Hier können Sie davon ausgehen, dass diese ihre Finanzierungsmöglichkeiten und den erforderlichen Eigenkapitaleinsatz genau einschätzen können, sofern sie nicht ohnehin komplett aus Eigenkapital finanzieren.
Anders sieht es aus, wenn Ihr Mehrfamilienhaus mit Gewerbeanteil eher für die Internetvermarktung in Frage kommt. Hier ist zu einem Teil mit gelegentlich oder zum ersten Mal investierenden Privatinvestoren zu rechnen, die ihre Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere auch hinsichtlich des Eigenkapitalanteils, nicht selten überschätzen. Hier ist zu empfehlen, das Thema „Finanzierung“ frühzeitig zu besprechen, um vergebliche Zeit und Mühe auf beiden Seiten zu vermeiden.
2.5 Umsatzsteuer auf Gewerbeanteile?
Das Thema Umsatzsteuer ist bei rein wohnwirtschaftlich genutzten Immobilien nicht relevant.
Sind jedoch Gewerbeanteile vorhanden, die umsatzsteuerpflichtig vermietet werden, sollten Sie rechtzeitig die umsatzsteuerliche Behandlung des Gewerbeanteils beim Verkauf von Ihrem Steuerberater prüfen lassen.
Wir empfehlen, die Ergebnisse Ihres Steuerberaters bereits im Verkaufsexposé zu berücksichtigen, damit Investoren hier frühzeitig informiert sind.
3. Praxisanteil statt Gewerbeanteil?
Verfügt Ihr Mehrfamilienhaus statt Gewerbeanteil über eine oder mehrere Praxiseinheiten (z.B. Arzt), so gelten die in Abschnitt 2. diskutierten Auswirkungen auf die Vermarktung ebenso. Abschnitt 2.5 ist hier jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen relevant.
4. Fazit
Gewerbeanteile erhöhen die Risikostruktur und wirken sich meist wertmindernd auf den Marktwert einer ansonsten wohnwirtschaftlich genutzten Immobilie aus. Die Auswirkungen können je nach Ausprägung der relevanten Faktoren marginal oder erheblich sein.
Weiterhin sind sie bei der Investorensuche und -auswahl sowie deren Finanzierungsmöglichkeiten zu berücksichtigen und können umsatzsteuerliche Auswirkungen beim Verkauf haben.